«UND dANN GEHST DU BACKSTAGE...»

Foto: dpaIm zweiten Teil des Interviews spricht Sophie Albers mit Tokio Hotel über Sex, Kakerlaken und die enttäuschenden Seite des Showbusiness.

Ein Geheimnis des Erfolges der Teenieband Tokio Hotel liegt ganz offensichtlich auch in der Kombination Tom und Bill. Der eine sagt zumindest, dass er mit den Mädchen schläft, die es bis vor seine Hotelzimmertür schaffen, der andere verspricht, auf die große Liebe zu warten.
Was gibt es Beruhigenderes für ein pubertierendes, von Hormonen überschwemmtes Mädchen als die Sicherheit, dass ihr nichts passieren wird, wenn sie sich «Bill fick mich» auf das sich gerade entwickelnde Dekolletee schreibt. Kontrollierter Tabubruch par excellence.
Aber hören wir doch mal, was für erotische Fantasien Deutschlands berühmteste Teenager so haben:


14 Eigentlich sind Hotelzimmer Eure erste eigene Bude...
Bill: Das stimmt.
15 Ihr habt aber Einzelzimmer...
Bill: Ja.
Georg: Am Anfang Doppelzimmer.
Bill: Es kam auch schon mal vor, dass wir zu viert in 'nem Raum gepennt haben.
Georg: Ganz früher haben wir in Zelten geschlafen, wenn wir auf Konzerten unterwegs waren.
Tom: Wie Du schon gesagt hast, Hotelzimmer sind für uns die ersten eigenen Wohnungen. Wenn man den ganzen Tag mit so vielen Leuten unterwegs ist, muss man auch mal seine eigenen vier Wände haben.
16 Habt Ihr irgendwelche skurrilen Hotelanekdoten zu berichten?
Bill: Wir hatten gerade ein schlimmes Erlebnis! Das war in Frankreich, da hatten wir eine Kakerlake im Hotel...
Tom [unterbricht seinen Bruder]: Ganz am Anfang, da waren wir zum dritten oder vierten Mal im Hotel, da haben wir Leute beim Ficken beobachtet...
Bill [besinnt sich, dass die Kakerlake nicht wirklich Rock'n'Roll ist]: Ah, das war geil... das ist schon eine alte Geschichte, aber ich erinnere mich gerne daran zurück. Das war in Hamburg in einem Hotel, und wir haben wirklich eineinhalb Stunden da beim...
Georg: Es war arschkalt, es hat geregnet, und wir mussten auf eine Dachterrasse gehen, um das perfekt beobachten zu können.
Bill: Wir dachten erst, da zieht sich wer um. Es war der Hammer. Und wir haben die am nächsten Tag auch noch beim Frühstück gesehen.
Georg: Irgendwann haben wir angerufen auf dem Zimmer. Und der Typ hat dann ganz wutentbrannt aufgelegt.
Bill: Hat den Hörer immer hochgenommen und gleich wieder aufgelegt, weil er ja gerade dabei war, zu...
Georg: Dann haben sie das Licht ausgemacht, und wir haben überlegt, ob wir nen Zehn-Euro-Schein unter der Tür durchschieben.
17 Habt Ihr die Kakerlake denn erledigt?
Bill: Ja, wir haben sie weggespült.
18 Das tötet sie ja nicht...
Bill: [noch größere Augen und ein angeekeltes hhmm]
19 Wann hat Euch das Starsein zum ersten Mal enttäuscht?
Tom: Als wir das erste Mal bei ner Preisverleihung waren und backstage gegangen sind. Ich glaube es war der Komet.
Bill: Du stellst es dir halt anders vor. Im Fernsehen siehst du immer diese ganzen Lichter und diese total topp-geschminkten Leute, und dann kommst du backstage und irgendwie...
Tom: ...und da machen ja auch alle immer mit: Vor der Kamera heißt es dann «Hier geht die Post ab!», und dann gehst Du backstage...
Bill: Und da ist gar nichts los! Backstage siehst du dann diese glitzernde Wand, und du gehst dahinter, und dann ist die nur so dick [zeigt mit Fingern zwei Zentimeter], und hinten hängen die ganzen Kabel runter. Und du denkst dir so, eigentlich sind hier viele Sachen einfach nur Fake!
Georg: Alles Pappe.
Bill: Und die Garderoben, du stellst dir immer vor,...
Tom: Gibt aber auch teilweise schöne Backstageräume.
Georg: Naja.
Bill: Das sind auch Sachen, an die wir uns gewöhnt haben. Das ist jetzt nichts, was mich wundert....
Georg: Früher haben wir immer gedacht, da gibt's Jacuzzi mit ein paar Frauen drin...
Bill: Wird ja immer erzählt.
20 Die Frauen müsst Ihr Euch dann halt kommen lassen. Würdet Ihr Euch als desillusioniert bezeichnen?
Tom, Georg: Nöö.
Tom: Also natürlich gibt es Sachen, wo man auf jeden Fall enttäuscht ist. Zum Beispiel die Backstageräume...
Bill: Ich würde nicht sagen desillusioniert. Wir haben dazugelernt, sind reifer geworden. Wir haben natürlich viel mitgekriegt. Und ich finde es auch cool, dass wir mit 17 rumrennen und wissen, wie das alles so abläuft. Das ist ne geile Erfahrung.
21 Nochmal eine Frage zu den Mädchen: Wenn die so schreien, meinen sie ja eigentlich nicht Euch, sondern die Stars, das Image, das Ihr verkauft. Stört Euch das?
Georg: Die schreien ja schon nach uns...
Tom: Die Leute wissen doch viel über uns. Die schreien nicht nur nach meinen Dreadlocks...
Bill: Es gibt ja auch Fans, die trifft man immer wieder, die sind in mehreren Hotels, und mit denen hat man sich auch schon unterhalten. Die haben uns wirklich schon kennengelernt, was wir erzählen und was wir machen. Die schreien dann nächstes Mal trotzdem wieder.
Tom: Die interessieren sich schon für die Person an sich.
22 Ok, was ich meine ist: Ein anderer, ebenfalls heftig beschrieener Musiker hat mal gesagt: «Ich bin ein Sexobjekt, und da komme ich nicht mehr raus.» Das klang wenig glücklich.
Tom: Ja, das ist schlimm, ich bin auch ein Sexobjekt... [Kichern und Grunzen]
23 Ihr werdet zuweilen recht beeindruckend beschimpft, stört Euch das?
Tom: Ich finde das eigentlich immer ganz ok. Beschimpft wird natürlich keiner gerne. Aber die Band befasst sich damit gar nicht so. Und ich fände es auch ziemlich langweilig, wenn dich alle Leute gut finden. Genauso wie ich es langweilig finden würde, wenn auf unseren Konzerten alle nur klatschen würden. Dann wiederum gibt es Leute, die sich mit uns befassen, extra Schilder bauen...

Georg: Internetseiten machen...
Bill: Das Ding ist ja auch, dass wir das nicht erst kennen, seitdem wir erfolgreich sind. Schon als wir mit zehn auf der Bühne gestanden haben, gab es immer Leute, die meinten «Kinderband». Aber im Laufe der Zeit hat man auch sonen Wall. Und wenn wirklich Kritik ausgeübt wird an einer bestimmten Sache, das soll man sich ruhig mal anhören.
24 Wenn Bill einen Solovertrag angeboten bekäme, was würde passieren?
Tom: Das musst Du beantworten.
Bill: Naja, ich hab ja auch den Film synchronisiert [«Arthur und die Minimoys»] Jeder hat irgendwie Luft, jeder kann auch seine Sachen machen. Viele Bands zerbrechen ja daran, weil sie [Tom versucht ihn zu unterbrechen, Bill gewinnt] daran gebunden sind, nichts machen dürfen, nicht raus dürfen. Bei uns darf jeder auch mal gehen. Wenn jemand sagt «Ich will jetzt mal nen Bild malen und ne Ausstellung machen oder nen Kinofilm synchronisieren oder Schauspielern», wir reden drüber. Es ist nicht so, dass wir es geheim halten.
25 Es gibt in den USA diese 11-jährige Sängerin Bianca Ryan, die wohl eine ähnlich frühe Karriere erwartet wie Ihr hattet. Wenn Ihr ihr einen Rat geben könntet, welcher wäre das?
Bill: Also ich würde ihr gar nichts raten. Ich hab's auch immer gehasst, wenn Leute mir irgendwas sagen oder raten...
Tom: Das klingt so altklug.
Bill: Vor allem hilft es auch nicht. Letztlich musst du das alles selbst erleben. Das ist auch viel spannender, als wenn dir Leute vorher alles erzählen und alles vorwegnehmen.
26 Es gibt also nichts, was man ihr ersparen könnte?
Bill: Sie soll's ausprobieren. Wir sind jedenfalls an jedem Hindernis gewachsen.
Tom: Man muss auch mal hinfallen, um wieder aufzustehen.
Mit Tokio Hotel spricht Sophie Albers. Lesen Sie morgen den dritten Teil des Interviews.